Vom Berliner Modell zum Hamburger Modell
Ziel dieses Essays soll es sein, das „Berliner Modell“ und die Weiterentwicklung zum „Hamburger Modell“ zu beschreiben.
Beides sind didaktische Modelle und somit möchte ich diesen Begriff zunächst einmal klären. „Ein didaktisches Modell ist ein Ausbildungsmittel, welches unter methodisch-didaktischen Gesichtspunkten einen strukturierten Wissenserwerb in verschiedenen Fächerinhalten ermöglichen soll“ . Es gibt viele verschiedene didaktische Modelle und Theorien, das „Berliner Modell“, auch „lerntheoretische Didaktik“ oder „Strukturmodell der Didaktik“ genannt, ist jedoch besonders bekannt. Als Gründer dieses Modells ist Paul Heimann bekannt, welcher den Begriff der „lerntheoretischen Didaktik“ einführte, weil er die verschiedenen Lehr- und Lernvorgänge des Unterrichts allgemein als eine Einheit betrachten wollte .
Das „Berliner Modell“ wurde erstmals 1962 in Form eines Aufsatzes von Paul Heimann (1901-1967) vorgestellt. Die Aufgabe des „Berliner Modells“ ist es, den Unterricht zu analysieren. Dabei wird zwischen zwei Schritten unterschieden: Die Strukturanalyse, auch Reflexionsstufe 1 genannt, und die Faktorenanalyse, auch Reflexionsstufe 2 genannt. Die erste Reflexionsstufe dient dazu, generelle Unterrichtsstrukturen zu erkennen. Die zweite Reflexionsstufe soll sich mit Faktoren auseinandersetzen, die didaktische Entscheidungen von Pädagogen beeinflussen.
In der Strukturanalyse geht es grundsätzlich darum, ein Grundschema für den Unterricht zu erstellen. Heimann unterscheidet dazu sechs Elemente, die er in verschiedene Gruppen bzw. Felder einordnet: Im Bedingungsfeld stehen die Strukturelemente der anthropogenen, sozialen, situativen und kulturellen Bedingungen im Vordergrund. In das Entscheidungsfeld werden Intentionen, Inhalte, Methoden und Medien eingegliedert.
Die Voraussetzungen für die von Heimann erstellte Strukturanalyse werden in anthropogene (zum Beispiel Lernfähigkeiten, Lernkapazitäten usw.) und sozial-kulturelle (Klassenzusammensetzung, Schulprofil, Schultyp usw.) unterschieden. Diese Voraussetzungen müssen nach Heimann immer berücksichtigt werden . „Unterricht ist immer mit Intentionen verknüpft“ (aus Topsch, W. (2002), S. 79). Heimann differenzierte zwischen drei Dimensionen der Intentionen ordnete sie in Qualitätsstufen ein. Diese Einteilung folgt einem bestimmten Muster, das in der Philosophie und Pädagogik bis auf das achte Buch der „Politik“ von Aristoteles zurückgeht.
Die Methoden nehmen den wohl größten Teil der Strukturanalyse ein. Sie werden untergliedert in Artikulation des Unterrichtsprozesses nach Stufen, die Gruppen- und Raumorganisation (z. B.: Partnerarbeit, Gruppenarbeit usw.), Lehr- und Lernweisen (z.B.: Lehrervortrag, Schülerreferat usw.), methodische Modelle (Konzepte, die den Inhalt des Unterrichts langfristig strukturieren) und Unterrichtsprinzipien (z.B.: Anschaulichkeit, Selbsttätigkeit, Lebensnähe usw.). Die Medien spielen in Heimanns Modell ebenfalls eine wichtige Rolle. Seiner Meinung nach müsse man die Medien als „eigenständiges didaktisches Strukturmoment“ würdigen.
Wie bereits erwähnt soll die Faktorenanalyse als eine theoretische Grundlage für Entscheidungen für den Unterricht dienen. Die wichtigen Faktoren die hierbei untersucht werden sind Normen, Fakten und didaktische Formen. Normen sollen auf „ihre Vereinbarkeit miteinander“ getestet werden. Sie sollen hinterfragt und untersucht werden. Die Fakten sollen von den Lehrern in den Unterricht mit einbezogen werden. Sogenannte Fakten sind beispielsweise Einflüsse der Medien, Begabungsunterschiede der Schüler, Lernschwierigkeiten etc.
Bei den Formen geht es darum, dass sich Lehrer darüber im Klaren werden, welche Methoden sie bevorzugen. Außerdem sollen Lehrer auch lernen, andere Methoden zu verstehen. Dabei soll verhindert werden, dass die Formen auf eine falsche Art genutzt werden.
Die Faktorenanalyse und die Strukturanalyse sollen nun gemeinsam dazu dienen, die Planung des Unterrichts zu ermöglichen. Dabei wird von drei „Prinzipien der Unterrichtsplanung“ ausgegangen, dem „Prinzip der Interdependenz“, dem „Prinzip der Variabilität“ und dem „Prinzip der Kontrollierbarkeit“. Das „Prinzip der Interdependenz“ soll die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen, bereits beschriebenen, Strukturmomenten des Unterrichts verdeutlichen. Es soll zunächst von den Zielen des Unterrichts ausgegangen werden. Darauf aufbauend sollen dann ein Thema, die Methoden und die Medien bestimmt werden. Das „Prinzip der Variabilität“ macht die Tatsache deutlich, dass die Planung nicht immer dem tatsächlichen Unterricht entspricht. Deshalb sollten schon in der Planung Alternativen vorgesehen werden, falls Schwierigkeiten während des Unterrichts entstehen. Das „Prinzip der Kontrollierbarkeit“ fordert, dass die Unterrichtsplanung so genau ist, dass man auch über den geplanten Unterricht „hinausgehen“ kann, falls es erforderlich ist. (z.B.: Wenn Schüler eine Frage stellen, die über das eigentliche Thema hinausgeht.)
Über das „Berliner Modell“ lässt sich sagen, dass es versucht den Unterricht in verschiedene Kategorien zu unterteilen und damit die Planung zu erleichtern. Zusätzlich dazu gestaltet es einige Grundlinien der heutigen Lehrerausbildung, wie zum Beispiel den Einsatz von Medien oder das Beobachten und Fördern von Schülern. Das Ziel des Modells ist es, die didaktischen Kompetenzen der Lehrer weiter zu entwickeln. Diese Idee lässt sich grundsätzlich als gut bewerten, sie ist jedoch noch verbesserungswürdig, was sich schon allein daran erkennen lässt, dass das Grundsätze des „Berliner Modells“ zum „Hamburger Modell“ weiterentwickelt wurden.
Für diese Entwicklung war vor allem Wolfgang Schulz (1929 – 1993) verantwortlich . Das „Hamburger Modell“ bezieht sich im Wesentlichen auf die Entwicklung einer Theorie zur Unterrichtsplanung. Im Mittelpunkt der didaktischen Planung bzw. der deskriptiven Kerntheorie stehen vier „Handlungsmomente“: Die Unterrichtsziele (UZ); dort werden Intentionen und Themen zusammengefasst, die Vermittlungsvariablen (VV); Inhalt sind Methoden und Medien, die Ausgangslage (AL); hier ist das Thema die anthropogenen Faktoren der Lehrenden und Lernenden, und die Erfolgskontrolle (EK); hier werden die Lernerfolge beobachtet.
Es sind drei Ebenen der Unterrichtsplanung zu berücksichtigen:
Die Perspektivplanung, die Umrissplanung und die Prozessplanung Bei der Perspektivplanung geht es darum, den Unterricht langfristig zu planen, unter Umständen für ein ganzes Jahr (Lehrplan). Inhalt der Umrissplanung ist die Planung der Unterrichtseinheiten, welche in der Regel mehrere Unterrichtsstunden fassen. Dabei werden Unterrichtsziele festgelegt, es wird bestimmt welche Methoden und Medien zum Einsatz kommen sollen und auf welche Weise ein Lernerfolg realisiert werden soll (Erfolgskontrolle). Die Prozessplanung beschäftigt sich mit Einzelheiten. Die Reihenfolge der Teilziele und der zeitliche Umfang für die einzelnen Lernabschnitte werden festgelegt. Bei den Entscheidungen und der Entwicklung der einzelnen Planungen sollen nicht nur Lehrer, sondern auch Schüler und Eltern mitarbeiten. Das schlägt sich ach auf die Intentionalität des Unterrichts aus. Kompetenz (erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen“, Autonomie („Verfügung über sich selbst“) und Solidarität (Handeln nach Normen, Mitfühlen und Mitdenken) sind dabei die zentralen Begriffe der normativen Kerntheorie.
Ziel des gesamten Unterrichts soll es nach Schulz sein, Sacherfahrungen, Sozialerfahrungen und Gefühlserfahrungen zu vermitteln.
Im „Hamburger Modell“ finden sich zwar viele Elemente des „Berliner Modells“ wieder, jedoch sind auch einige Unterschiede zu erkennen. Beispielsweise setzt Schulz in seinem Modell Unterrichtsplanung nicht mit Unterrichtsanalyse gleich. Außerdem möchte er bei der Planung des Unterrichts auch Schüler und Eltern mit einbeziehen, das Zentrum liegt nicht mehr ausschließlich auf den Lehrern. Und er unterscheidet zwischen Anfängerdidaktik und Profididaktik. Wolfgang Schulz zentriert in seinem Modell hauptsächlich die Unterrichtsplanung und wie diese dazu dienen kann, die einzelnen Lernindividuen dazu zu bringen „über sich selbst zu verfügen“ und nicht, wie Paul Heimann im „Berliner Modell“ die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen.
Somit lässt sich abschließend sagen, dass das „Hamburger Modell“ nicht nur eine Weiterentwicklung des „Berliner Modells“ ist, sondern, auf Grund der teilweise doch sehr großen Unterschiede, auch als eigenständige didaktische Theorie gesehen werden kann.
Gastautor: "Lucia"
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